Raucher: Die andere Gefahr

Mediziner entdecken schwere Nebenwirkungen der Nikotin-Entwöhnungspille Zyban Sex sei immer interessant. Diesem Grundsatz folgend brachten Werbestrategen im Auftrag des Pharmakonzerns Glaxo Smith Kline Ende April in Deutschland das Ergebnis einer kleinen Studie aus den USA an die Öffentlichkeit: Bupropion, der Wirkstoff des ersten medikamentösen Raucherentwöhnungsmittels ohne Nikotin, steigere bei Frauen das sexuelle Verlangen. In Großbritannien ermittelten zur selben Zeit Beamte wegen der vorgeblichen Lifestyle-Pille. Die Stewardess Kerry Weston war in einem Hotel gestorben. Die 21-Jährige hatte seit zwei Wochen versucht, sich mit Bupropion (Handelsname Zyban) das Rauchen abzugewöhnen. Trotz einsetzender Schwindel und Krämpfe – das Mittel wirkt im Gehirn – habe ihre Tochter durchhalten wollen, klagen die Eltern.

35 Prozent der Raucher versuchen durchschnittlich fünfmal pro Jahr mit dem Rauchen aufzuhören. Jedoch nur 4,4 Prozent sind nach einem Jahr noch Nichtraucher. Mehr als 24 Millionen Deutsche greifen täglich zum Glimmstängel: 46,7 Prozent der Männer und 39,6 Prozent der Frauen (jeweils über 15 Jahre). Die Hälfte aller Raucher ist suchtkrank. „Nikotin ist eine der am schnellsten süchtig machenden Substanzen“, erläutert Lutz Schmidt. „Deswegen scheitern die meisten Versuche, von der Zigarette loszukommen.“ Die Substanz aus der Tabakpflanze, die Christoph Kolumbus 1493 aus Amerika nach Europa brachte, löst eine Wohlige Gefühlskaskade im Belohnungszentrum des Gehirns aus. Eine Zigarette beglückt den Raucher ähnlich wie ein Kuss oder ein gutes Essen. Der Tabakkonsument organisiert sein gesamtes Leben rund um den Nikotin-Kick. In der Wohnung, im Auto, im Büro, überall müssen Zigaretten griffbereit liegen; wenn die Putzfrau versehentlich den Aschenbecher weg- geräumt hat, steigt ihm Zornesröte ins Gesicht. Sein Getränkekonsum korreliert mit dem Lungen-Laster, er trinkt tagsüber bevorzugt Kaffee oder Cola, meist in beängstigenden Mengen, denn es animiert die Rauchlust. Cocktail mit Nikotinbeschleuniger. „Zigaretten enthalten eine ganze Reihe von Substanzen, die sich in ihrer Suchtwirkung potenzieren“, weiß Friedrich Wiebel vom GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit bei München.

Insgesamt 4800!!! Substanzen identifizierten Forscher in Zigaretten. Ammonium beispielsweise wirkt wie ein Beschleuniger für das Nikotin und katapultiert den „Glücklichmacher für die Gehirnsuppe“ in rasanter Geschwindigkeit in den Körper. „So wie Glutamat in der Suppe geschmacksverstärkend wirkt, ver- stärkt Nikotin positive Gefühle im Belohnungszentrum“, meint Wiebel. „Der Körper braucht diesen Flash immer wieder.“

Neben dem Nikotineffekt scheinen Frauen stark auf einen möglicherweise geschlechtsspezifischen „Er- leichterungskick“ zu reagieren. Ein im Dezember 1999 in „Nicotine & Tobacco Research“ veröffentlichter Fachartikel erläutert, dass Frauen psychisch nach jenem Gefühl süchtig werden, wenn die Nervosität beim Rauchen abklingt. Eine Studie der Medizinerin Renate Bergmann von der Klinik für Geburtsmedizin der Berliner Charité, Campus Virchow Klinikum, untersucht ab dieser Woche, wie Ärzte werdende Mütter (jede vierte!!! raucht bis zum Zeitpunkt der Entbindung) dazu bewegen können, mit dem Rauchen aufzuhören.

Raucherfalten

Regelmäßiger Nikotingenuss lässt die Haut schneller altern. Warum, Fand Professor Antony R. Young von der St. Thomas School of Medicine in London jüngst heraus. Die Faltenbildung wird durch Enzyme in der Haut bedingt, sogenannte Metall-oprotinasen oder kurz MMP-1. Nikotin erhöht den MMP-1 Gehalt drastisch, was wiederum zur Schädigung der elastischen Kollagenfasern in der Haut führt. Einen ähnlichen Effekt hat ein Übermaß an UV-Strahlen meldet das Medizin-Fachmagazin „The Lancet“

Pille gegen Nikotinsucht

Seit Juli 2000 ist Zyban als Medikament zur Raucherentwöhnung auch in Deutschland zugelassen. Ursprünglich setzten Pharmakologen den Wirkstoff Bupropion als Anti-depressivum ein. Zufällig entdeckten sie, dass er Rauchern bei der Entwöhnung hilft. In Studien war nach einem Jahr ein Drittel der Versuchsteilnehmer noch immer Nicht-Raucher. Ob das eine höhere Quote oder die gleiche ist wie beim Nikotinpflaster, ist unter Experten umstritten. Die 37 registrierten Todesfälle, in denen sie einen Zusammenhang mit Zyban vermuten, ließen die britischen Behörden auf ein Vorgehen drängen, das aus EU-rechtlichen Gründen europaweit abgestimmt sein musste. In der vergangenen Woche „erwirkten jene Staaten, in denen Zyban auf dem Markt ist, in einer koordinierten Maßnahme eine dringende Änderung der Zulassung“, so Ulrich Hagemann, im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zuständig für Arzneimittelsicherheit. Für Deutschland weiß das Bonner Amt von zwei Todesopfern unter 280 000 Anwendern seit der Zulassung des verschreibungspflichtigen Mittels im Juli 2000 (FOCUS 26/00).

Außerdem liegen 107 Berichte über unerwünschte Nebenwirkungen vor. In Großbritannien (419 000 Zyban-Konsumenten) sind 5352 Fälle von Nebenwirkungen registriert. Besonders gefährlich scheinen die epileptischen Krampfanfälle zu sein, die in einer – von Pharmakologen als mittelhoch eingestuften – Häufigkeit von 1 zu 1000 auftreten. Zwar informierte schon bisher der Beipackzettel darüber, doch Glaxo und die Zulassungs-instanzen unterschätzten offenbar die mögliche Tragweite der Nebenwirkung. Nach der neuen Verfügung ist der Warnhinweis verschärft und die erlaubte Dosis für die erste der auf sieben bis neun Wochen anberaumten Entwöhnungstherapie deutlich herabgesetzt. Das Spektrum der Risiken reicht aber noch weiter, von deutlicher Blutdruckerhöhung über Unverträglichkeit mit rund einem Dutzend gängiger Medikamente bis zu Sehstörungen und Verwirrtheit. Dennoch meint Katja Buller, Sprecherin von Glaxo Smith Kline in München, Zyban sei angesichts der geringen Zahl an hierzulande eingegangenen Nebenwirkungsmeldungen vergleichsweise sicher. Doch die Raucherpille bekämpft, anders als etwa schwere Herzmittel, keinen unmittelbar lebensbedrohenden Zustand. „Der Stellenwert von Zyban hinsichtlich des langfristigen Nutzens und des Risikos muss sich noch erweisen“, meint Behördenvertreter Hagemann.

Auf die Frage, ob das Medikament vorschnell seine Zulassung bekommen habe, antwortet Bruno Müller-Oerlinghausen, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Ärzteschaft: Es gelte unter Experten als ausgemacht, „dass man einige Nebenwirkungen auch durch noch so viele Tests zuvor nicht entdecken kann“. Allerdings sei Zyban ohnedies nur zweite Wahl gegenüber nikotinhaltigen Pflastern und Kaugummis – so lautete zumindest der deutliche Schluss einer Anfang Mai vorgelegten Expertise seiner Kommission. Kurt-Martin Mayer Zigarette adieu – die erfolgreichen Wege zum Nichtraucher. Viele Menschen benötigen mehrere Anläufe, um das herzmordende Rauchen aufzugeben. Doch jeder Versuch zählt, denn Wege, das Leben künftig nikotinfrei zu gestalten, gibt es mehrere. Hier die bewährtesten Methoden. Bei der Pflaster-Methode kommt das Nikotin statt aus den Zigaretten aus einem kleinen, täglich zu erneuernden Pflaster. Über die Haut dringt es gleichmäßig in den Körper ein und verhindert so die gefürchteten Entzugserscheinungen. Je nach bisherigem Zigarettenkonsum wird alle zwei bis vier Wochen zu einem kleineren Pflaster gewechselt. Ein Arzt muss die Pflaster verschreiben.

Das Nikotinkaugummi funktioniert übrigens nach dem gleichen Prinzip – nur gelangt das Nikotin beim Kauen über die Mundschleimhaut in den Organismus. Wer leidenschaftlich gern in Gesellschaft oder nach dem Essen eine Zigarette raucht, dem erschwert oft der besondere Kick dieser Momente seine ernst gemeinten Bemühungen ums Aufhören. Ablenkungs- und Entspannungstechniken, um in diesen kritischen Augenblicken sicher Nein sagen zu können, lassen sich zwar erlernen. Ein zusätzliches Verhaltenstraining ist aber zu empfehlen, damit der innere Schweinehund letztendlich auch wirklich chancenlos bleibt. Eine Anti-Raucher-Hypnose verbindet den Gedanken an eine qualmende Zigarette im Unterbewusstsein mit einem unangenehmen Gefühl wie etwa Übelkeit. Zu Anfang ist der Erfolg oft überwältigend. Wer jedoch auf lange Sicht tabakfrei leben will, sollte auch bei dieser Methode eine zusätzliche Gesprächstherapie erwägen. Bleibt schließlich noch die Punkt-Schluss-Methode. Sie bedeutet im Klartext: Zum Nichtraucher von heute auf morgen nur mit der Kraft des eigenen Willens.

Ohne weitere Hilfen halten das zwar nur drei von hundert Rauchern durch. Doch über 80 Prozent aller ehemaligen Raucher haben es mit diesem Verfahren endgültig geschafft. Der Trick dabei ist so simpel wie die Methode selbst: Man muss es einfach öfter versuchen! Weitere interessante Texte aus der Welt der modernen Medizin zum kostenlosen Download finden Sie im Gesundheits-Server der Knoll-Deutschland sowie im Pressebüro unter www.knoll-deutschland.de. Die Knoll Deutschland GmbH ist die deutsche Vertriebsgesellschaft der Knoll AG. Beide gehören zum Unternehmensbereich Pharma der BASF AG. BASF Pharma erzielte 1999 einen weltweiten Umsatz von 2,483 Mrd. Euro; dies bedeutet einen Zuwachs von 19% im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der Mitarbeiter liegt bei über 13.000, davon sind rund 3.700 in Deutschland beschäftigt.
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Alkoholismus

Heute ist das Krankheitsbild des Alkoholismus gut untersucht und gilt als die folgenschwerste Suchtkrankheit. In Deutschland werden pro Jahr etwa 40 000 Alkoholtote gezählt, laut Statistik sind 2,5 Millionen Menschen alkoholabhängig und 600 000 bis 1 Million gelten als Alkoholiker. Damit ist der Alkoholkonsum die drittgrößte vermeidbare Todesursache – nach dem Rauchen und den Folgen von falscher Ernährung und Bewegungsmangel. Neben den Süchtigen fordert der Alkohol auch indirekte Opfer: Verkehrstote wegen Alkohol am Steuer und Kinder mit alkoholbedingten Missbildungen, vor allem weil die Mutter Trinkerin war. Die schlimmsten Wirkungen eines langanhaltenden Alkoholmissbrauchs sind neben körperlicher Erkrankungen Abhängigkeit und Sucht. Der Griff zur Flasche dient vor allem denjenigen Menschen als Kompensationsmöglichkeit von Konflikten und Stresssituationen, die glauben, sie nicht anders bewältigen zu können. Hans Fallada hat in seinem Roman „Der Trinker“ alle Stadien einer Alkoholikerkarriere genau festgehalten. Eine Bezeichnung der verschiedenen Formen der Sucht folgt der Einteilung nach Jellineck

Der erste Schritt auf dem Weg in die Abhängigkeit ist die Gewöhnung des Körpers an die regelmäßige Alkoholzufuhr (Toleranz). Dabei müssen immer größere Alkoholmengen aufgenommen werden, um die gleiche Rauschwirkung zu erzielen. Durch Induktion des MEOS kann in kürzerer Zeit mehr Alkohol abgebaut werden (Tabelle 2), so dass für den Gelegenheitstrinker sogar ansonsten tödliche Alkoholmengen toleriert werden. Diese metabolische Toleranz wird noch durch einen anderen Mechanismus ergänzt: Der Versuch des Nervensystems, durch Anpassung an die veränderten Bedingungen seine Funktionsfähigkeit zu erhalten, wird als neuronale Toleranz bezeichnet. In den komplizierten Verschaltungen der Nervenzellen im Gehirn verstärkt Alkohol die hemmenden Impulse. Auf diese Weise ist seine beruhigende Wirkung zu erklären. Eine langanhaltend hohe Alkoholkonzentration im Gehirn führt jedoch dazu, dass das Nervensystem versucht, die verstärkte Hemmung durch eine Vermehrung der anregenden Impulse auszugleichen, um weiterhin arbeiten zu können. Der Zustand unter Alkoholeinfluss wird dann als Normalzustand akzeptiert. Der Übergang von psychischer zu physischer, also körperlicher Abhängigkeit, ist fließend. Fällt die regelmäßige Alkoholzufuhr plötzlich aus, überwiegen die vom Nervensystem verstärkten anregenden Impulse, und es kommt zu den typischen Entzugssymptomen wie Unruhe, Tremor, Übelkeit und Erbrechen. In schlimmen Fällen kann es auch zu schweren Krampfanfällen und schließlich zum Delirium tremens kommen, das sich neben Tremor und Übelkeit in Halluzinationen, Muskelzuckungen und Krämpfen bis hin zum Koma äußert. Als Therapie bietet sich an, die hemmenden Effekte von Alkohol an den Nervenzellen zu simulieren und dann den Körper langsam wieder an den normalen Zustand zu gewöhnen.

Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine greifen an denselben Stellen im Gehirn an wie die Alkoholmoleküle, sind also für den körperlichen Entzug geeignet. Nach der Entzugstherapie muss der entwöhnte Alkoholkranke aber weiterhin psychisch betreut werden, damit er nicht rückfällig wird. In der Tat ist dies bei einem hohen Anteil dieser Patienten eine große Gefahr. Nur die lebenslange absolute Abstinenz führt bei Alkoholkranken dauerhaft zum Erfolg.

Einteilung der Stadien der Alkoholabhängigkeit nach Jellineck

alpha-Trinker Konflikt-/Erleichterungstrinker, Alkoholkonsum ohne Kontrollverluste.
beta-Trinker Gelegenheitstrinker, Alkoholkonsum aus Anpassung oder Gewohnheit.
gamma-Trinker Süchtiger Trinker mit psychischer und physischer Abhängigkeit, Alkoholkonsum mit Kontrollverlust.
delta-Trinker Gewohnheitstrinker, Spiegeltrinker mit starker psychischer und physischer Abhängigkeit, der für sein Wohlbefinden immer einen bestimmten Alkoholspiegel benötigt, nicht mehr abstinenzfähig. Gilt als Alkoholkranker.
epsilon-Trinker Episodischer Trinker mit Trinkexzessen in regelmäßigen Abständen (Quartalssäufer). Eventuell wochen- und monatelanger Alkoholkonsum mit Kontrollverlusten.

Symptome nach Alkoholaufnahme

Blutalkohol-Konzentration
in Promille (‰)
Symptome bei Gelegenheitstrinkern
(b-Trinker)
Symptome bei Alkoholikern
(d/e-Trinker)
0,5 – 1 Euphorie, Enthemmung, Unkoordiniertheit keine wesentlichen Effekte
1 – 2 Ataxie, Übelkeit, Schläfrigkeit Unkoordiniertheit,Euphorie
2 – 3 Erbrechen, Betäubung, Sprachausfälle Emotionalisierung, Ausfälle der Motorik
3 – 4 Koma Schläfrigkeit
>5 Tod Koma, Betäubung

Wirkungsweise des Alkohols

Um zu verstehen, warum der Alkohol auf der einen Seite beruhigend, erheiternd und schmerzstillend wirkt, auf der anderen Seite aber den Menschen auch in Abhängigkeit, Sucht bis hin zu körperlichem und geistigem Verfall treiben kann, ist es notwendig, die Wirkungen des Alkohols im Körper zu verstehen.

Alkohol ist ein Zellgift, das heißt, nach jedem Alkoholgenuss muss der Körper den aufgenommenen Alkohol abbauen, um den Schaden zu begrenzen. Ein halber Liter Bier (4%) enthält etwa 20 g reinen Alkohol (Ethanol). Schon in Mund und Speiseröhre werden geringe Mengen davon aufgenommen, im Magen noch einmal ca. 2 g, und der Rest gelangt über den Dünndarm ins Blut. Wie gut Alkohol aufgenommen wird, hängt hauptsächlich von der Nahrungszusammensetzung und –menge sowie vom Geschlecht ab. Beim „sozialen Trinken“, also einem Glas Wein zum Essen, erreicht der Alkohol beispielsweise erst gar nicht den Dünndarm, sondern wird bereits im Magen durch die dort vorhandene Alkoholdehydrogenase abgebaut. Werden aber größere Mengen Alkohol auf nüchternen Magen getrunken, gelangen diese recht schnell in den Dünndarm, dessen große Resorptionsfläche dann für eine vollständige Aufnahme sorgt. Über das Blut wird der Alkohol dann zur Leber transportiert, dessen Alkoholdehydrogenase mit einer Verzögerung von 1 bis 2 h nach der Alkoholaufnahme mit konstanter Geschwindigkeit mit dem Abbau beginnt. Da Alkohol einen recht hohen Brennwert hat, decken Trinker mit ihm einen beachtlichen Anteil ihrer täglichen Kalorienzufuhr. Sein Brennwert liegt mit 7 kcal./g zwischen dem von Fetten (9,1 kcal./g) und denjenigen von Kohlenhydraten bzw. Proteinen (4,1 kcal./g). Alkohol verdrängt Fette und Kohlenhydrate aus der Energiebedarfsdeckung und führt darüber hinaus zu Vitaminmangel, besonders der Vitamine des B-Komplexes. Gleiche Alkoholmengen wirken bei Frauen oft schneller als bei Männern.

Dies hat zwei Ursachen. Aufgrund ihres höheren Anteils an Fettgewebe verfügen Frauen über ein größeres Verteilungsvolumen, ein Depot also, vom dem aus der Alkohol über einen längeren Zeitraum ins Blut übertreten kann. Darüber hinaus ist die Aktivität der magenständigen Alkoholdehydrogenase bei Frauen geringer, d.h. es gelangt nahezu die gesamte getrunkene Alkoholmenge auch ins Blut. Die Wirkungen des Alkohol auf den Organismus sind vielfältig: Alkohol hemmt in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) die Ausschüttung des antidiuretischen Hormons Vasopressin, dessen Aufgabe es ist, den Flüssigkeitsverlust über die Nieren zu begrenzen. Zusammen mit einer erheblichen Wasserüberladung, besonders bei Bierkonsum, führt diese Hemmung zu einem gesteigerten Harndrang. Alkohol fördert die Bildung von Harnsäure, einem Abbauprodukt der Purine, die mit fleischhaltiger Nahrung und koffeinhaltigen Getränken aufgenommen werden. Eine Anlagerung von Harnsäurekristallen in den Gelenken kann häufig Folge einer durchzechten Nacht sein. Da die Leberzellen nach Alkoholgenuss mit dem Abbau des aufgenommenen Alkohols „beschäftigt“ sind, geraten andere Stoffwechselprozesse aus dem (Redox-)Gleichgewicht. Davon betroffen ist auch die Bereitstellung von Glukose für die übrigen Organe des Körpers, besonders für das Gehirn. Alkohol verursacht auf diese Weise einen Abfall des Blutglukosespiegels (Hypoglykämie), deren Folgen Kopfschmerzen und Gereiztheit, im Extremfall auch Bewusstlosigkeit und Koma sein können.

Die Verschiebung des Redoxgleichgewichtes in den Leberzellen, aber auch die Wirkung des giftigen Zwischenprodukts Acetaldehyd aus dem Alkoholabbau bewirken eine vermehrte Bildung von Fetten, die die Leberzellen nicht mehr ausschleusen können. Eine Verfettung der Leber ist die Folge, die nach fortgesetzter Schädigung durch das Gift Alkohol ihre geschädigten Zellen durch Bindegewebe ersetzt. Diese Leberzirrhose mit folgendem totalen Ausfall der Leberfunktionen sowie Leberkrebs bezeichnen das Endstadium eines chronischen Alkoholmissbrauchs.
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Psyche: Auf dem Weg in die Misstrauensgesellschaft: Werner Weidenfeld Focus 11-2001

Immer weniger Deutsche vertrauen den Institutionen.

Unsere Gesellschaft ist kälter geworden. Die seelische Temperatur sinkt. Anonymität und Vereinsamung breiten sich aus. Es mangelt an Orientierung. So lauten viele Klagen zu unserer Lage der Nation. Man könnte meinen, wir stehen vor einer neuen Eiszeit.

Drei Ursachen sind für diesen Wertewandel zu benennen:

Erstens: Die neue Beliebigkeit: In früheren Wahlkämpfen entschieden die großen, stabilen Gruppen der Stammwähler die Wahlen. Heute sind es die Dramatisierungen des Augenblicks. Weniger das Programm, sondern die Inszenierungsqualität markiert das Erfolgsprofil. Die Umfragen wenige Tage vor den Wahlen werden scheinbar erheblich ungenauer, die am Wahltag selbst erheblich genauer, weil sich viele Wähler erst in der letzten Stunde entscheiden. Vor zehn Jahren bezeichneten sich weit über 60 % als Stammwähler – heute nur noch etwas mehr als 30%. 70 % der Wähler sehen keinen Unterschied darin, ob SPD oder CDU die Bundesregierung führen, 45 % sehen keinerlei Unterschiede zwischen SPD und CDU. Nur 25 % glauben, dass die Politik langfristig angelegt sei. Entsprechend schnell schwanken auch die Stimmungspegel: In dieser Legislaturperiode – also seit 1998 – gab es Umfragewerte für die SPD zwischen 29 und 46 % und für die CDU zwischen 28 und 41 %. Das politische Interesse ist stark zurückgegangen. Nur 12 % formulieren ein ausgeprägtes Interesse an Politik. 63% der Deutschen sagen, Politiker könnten versprechen, was sie wollen, man könne ihnen sowieso nicht glauben.

Zweitens: Nicht Krise der Werte, sondern Krise der Repräsentation. Wenn man Werte als Konzepte des Wünschbaren begreift und vor diesem Hintergrund nach den großen Lebenszielen fragt, dann sind die Antworten erstaunlich stabil und konstant. Ganz oben steht: ein glückliches Familienleben; und dann: finanzielle Sicherheit und Entfaltung der individuellen Fähigkeiten. Zur Erlangung dieser Ziele werden als wichtigste Werthaltung angesehen: Ehrlichkeit, Gerechtigkeit und Sicherheit. Wenn es dennoch zu politischer Verdrossenheit in beachtlichem Maße kommt, dann erklärt dies die Sozialwissenschaft einerseits mit gewachsener Anspruchshaltung, andererseits mit einer tief greifenden Individualisierung. Aber ob das eine ausreichende Erklärung ist? Wir haben starke, stabile Mentalitätstraditionen in unserem Land, autoritätsorientierte Traditionslinien wie modernisierende, an Eigenverantwortung orientierte ebenso wie an kollektiver Absicherung interessierte. Bei näherem Hinsehen fällt auf, dass nicht diese stabilen Mentalitätsstrukturen in unserer Gesellschaft zerfallen, sondern dass die jeweiligen Einstellungsgruppen keine öffentliche Sprecher mehr haben, keine wirkliche Repräsentanz. Die Prägekraft oder Vorherrschaft bestimmter Repräsentanten aus Parteien, Verbänden oder der Intellektuellen ist zerfallen. Alle politischen Lager versuchen ihre Anhänger aus allen Richtungen an sich zu binden und schaffen damit eine diffuse Konturlosigkeit, eher unklare Orientierungen.

Drittens: Jede moderne Gesellschaft lebt vom Vorschuss an Vertrauen. Denn sie ist in vielen Funktionen arbeitsteilig spezialisiert. Wir betreten ein Haus im Vertrauen auf die Qualifikation des Architekten und des Statikers. Wir setzen uns in ein Flugzeug im Vertrauen in die gute Ausbildung des Piloten. Wir begeben uns in medizinische Behandlung in Vertrauen auf die Befähigung des Arztes. Dieses Vertrauen ist der Kitt unserer Gesellschaft. Wir brauchen auch Vertrauen in die Institutionen, die für alle diese Qualifikationen bürgen. Nun zeigen aber die Umfragen der vergangenen Jahre, dass wir immer weniger bereit sind, anderen zu vertrauen. Wir wollen weder den Parteien noch den Kirchen, weder den Unternehmern noch unseren Nachbarn trauen. Heute sagen 54 % – also die Mehrheit -, dass sie nicht vertrauen können, weder den Institutionen noch ihren Mitmenschen. Wir befinden uns auf dem Weg in die Misstrauensgesellschaft. Das ist das eigentliche Alarmsignal des Wertewandels.

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