pic16

Den meisten Menschen mangelt es an Erholungsfähigkeit. Ein Grund ist die starke Konsum- und Evenorientierung, mit der die Freizeitplanung durchgesetzt wird. In der modernen Erlebnis-Gesellschaft suchen die Menschen notorisch nach dem nächsten Kick und nach Feierabend warten zweckdienliche und statusfördernde Aktivitäten. Fast zwei Drittel aller Berufstätigen können nach der Arbeit nicht mehr abschalten. Wer mit so einer Unrast durchtränkt ist, findet auch im Urlaub schwerlich die innere Ruhe wieder. Drei Viertel aller Deutschen wünschen sich im Urlaub „Stress abzubauen“ , jedoch gibt jeder Fünfte zu, dass der vergangene Urlaub letztlich sehr anstrengend war. Viele können ihre freie Zeit nicht einfach verstreichen lassen, ohne sich gleich wieder Stress auszusetzen – oft aus Angst vor Langeweile. Beim dumpfen Faulenzen droht quälende Leere. Tagelang untätig in der Sonne liegen oder gedankenverloren fernzusehen bringt selten beflügelnde Glückseligkeit und Erholung. Wahre Muße – das zweckfreie spielerische Treibenslassen, bei dem Zeit keine Rolle spielt – gibt es nicht auf Knopfdruck. Der Weg zur Muße führt über eine erfüllende Beschäftigung ohne höheren Zweck – sei es Gartenarbeit ohne Leistungsdruck; Wandern ohne persönliche Bestleistung, aktives Musizieren, auf welchem Instrument auch immer, oder schlichtes Musikhören. Musikmeditation: Musik hören ist für viele Menschen gleichbedeutend mit Entspannung. Musikmeditation soll die Ausgeglichenheit noch steigern – in einer Kombination aus Ruhe, Yoga, klassischer Musik und Musikgeschichte. (www.skr.de).

 

Das entspannte Sein im Hier und Jetzt ist ein Bedürfnis seit Jahrtausenden. Bereits Sokrates glaubte, in der Muße den „schönsten Besitz von allen“ gefunden zu haben. Aristoteles hielt „die Muße für die Schwester der Freiheit“ und Cicero war sicher, dass „Nichtstun erquickt“. „Die Muße war in der Antike das gesellschaftliche Ideal“. Rastlose Arbeit und stetes Gewinnstreben avancierten zu den Haupttugenden des modernen Kapitalismus. In unserer auf Arbeit zentrierten Gesellschaft, mussten wir uns lange für die Muße rechtfertigen. Heute stehen wir vor dem Problem unsere Freizeit sinnvoll auszufüllen. Ganz einfach herbeidenken lässt sich innere Ausgeglichenheit leider nicht. Unserem Bewusstsein kommt beim Einschwingen in den ganzheitlichen Ruhezustand nicht die ent-scheidende Rolle zu. Denn nicht das zentrale Nervensystem, das wir mit unserem Willen kontrollieren, sondern das vegetative Nervensystem regelt, wie entspannt wir sind. Der Sympathicus mobilisiert die Energien des Körpers, der Parasympathicus beruhigt. Er senkt zum Beispiel die Herzschlagfrequenz und reguliert den Schlafrhythmus. Während eine Stressreaktion blitzschnell erfolgt, ist das Entspannen leider ein sehr langsamer Prozess. Unzählige Faktoren in Job oder Familie summieren sich so zu einem Dauerstress, der als solcher nicht mehr wahrgenommen wird. Der Wille, Regenerationspausen zu schaffen, versiegt. Erschöpfungsdepressionen und psychosomatische Störungen sind die Folge.

 

Man kann Entspannung und Erholung trainieren!

 

Das physiologische System vielbeschäftigter Manager zum Beispiel ist auf große Alltagsbelastungen eingestellt. Fällt der Stress im Urlaub weg, wird der Hochleistungsmotor ganz plötzlich unterfordert und reagiert mit anhaltender Unruhe. Meist stürzen sich die Kurzzeitarbeitslosen in wilden Aktionismus. Man muss seine Unruhe auch annehmen lernen. Die Wahrnehmung neu zu schulen ist die hilfsreichste Gegenmaßnahme, um antrainierte Stressstrukturen aufzubrechen. Der Duft von wildem Thymian, Meer, Sonne, Musik oder ein exotisches Essen belebt die Sinne. Ob 40 Grad im Schatten oder Schnee, Bewegung oder faules Herumliegen die Revitalisierung unseres unterdrückten Körpers unterstützt, müssen wir selbst herausfinden. Wir müssen wieder lernen, nach innen zu schauen und nicht in den Urlaubsprospekt. Für jeden bedeutet Muße etwas anderes. Wenn Sie sich als Manager zwingen, zwei Wochen ruhig am Strand zu liegen, werden sie durchdrehen. Stellen Sie sich lieber vor, Sie wären völlig frei, das zu tun, was sie am liebsten tun würden. Was wäre das? Viele finden schon deswegen keine wirkliche Entspannung, weil sich nichts mehr fürchten als die Langeweile. Aber hier genau liegt das Tor zu innerer Ruhe. Sie müssen nur die Langeweile bewusst durchschreiten. Den Zustand entspannter Kontemplation, den ein geregelter – von Stresseinbrüchen freier – Tagesablauf bei vielen Menschen auslöst, gibt es auf Wunsch zum Beispiel in Klöstern auch ohne Religion. Einmal nicht erreichbar und verfügbar zu sein und den Tagesablauf nach dem inneren Rhythmus gestalten zu können, ist der größte Wunsch vieler Menschen. Regelmäßiges und Rhythmisches öffnet den Körper für perfekte Entspannung. Bewusst atmen, gehen, Musikhören, die Seele baumeln lassen, sind die Schlüssel zur tiefen Entspannung. Musik ist am besten geeignet, die eigene Atmung beim Zuhören zu synchronisieren, wie beim Meditieren. Die Musikmeditation kombiniert Elemente gängiger selbstversenkungs-techniken mit Musikgenuss. Eine liebevoll zusammengestellte Musikanlage ist eine Voraus-Setzung zu ungetrübter Entspannung. Auch das Wandern, die Schönheit der Natur, erzeugt bei vielen ein Gefühl von Freiheit Versunkenheit und Ruhe. Jede Erkenntnis und Muße, braucht Muße.

 

Beethoven und der Gänsehaut-Effekt

 

Musik regt jene Teile des Gehirns an, die auch von Essen und Sex stimuliert werden. Das ergab eine amerikanisch-kanadische Studie. „ Die Menschen bedienen sich der Musik, um mit Traurigkeit und Angst fertig zu werden“, sagt die Forscherin Anne Blood vom Krankenhaus in Charlestown im US-Staat Massachusetts. “ Wir zeigen, dass Musik Systeme im Gehirn anregt, die ihnen ein Glücksgefühl vermitteln“. Blood und Robert Zatorre von der Universität Montreal identifizierten mit Hilfe der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) jene Teile des Gehirns, die von Musik so angeregt werden, dass es „einen Schauer über den Rücken laufen lässt“. Sie erkannten, dass viele der von Sex- oder Essfreuden aktivierten Gehirnstrukturen auch von Musik angeregt werden. Früheren Untersuchungen zufolge werden das Mittelhirn, das sogenannte ventrale Striatum sowie Teile der Hirn- Rinde mit Essen und Sex in Verbindung gebracht. Die neue Studie ergab, dass diese Systeme in ähnlicher Weise auch auf als schön empfundene Musik reagieren. Blood und Zatorre baten Männer und Frauen, Musik auszuwählen, die sie aufwühlt. Für den Test wurden außerdem beliebige andere Musik, sonstige Geräusche und absolute Stille verwendet. Diese vier Elemente wurden jeweils drei Mal min wahlloser Reihenfolge abgespielt. Nur wenn die Probanten „ihre“ Musik hörten, wurde per PET eine Aktivität in den betreffenden Hirnregionen registriert. Zwar waren alle Probanten Musiker, jedoch meint Blood, dass bestimmte Musik bei 80% aller Menschen einen Schauer hervorrufen kann ( denken sie nur an alte sw- Filme oder Stummfilme, die mit Musik begleitet wurden). Das Erleben eines Schauers sei ein sehr verbreitetes Phänomän, und es sei höchst wahrscheinlich, dass auch das Gehirn anderer Menschen auf diese Weise reagieren. Die Reaktion sei aber in hohen Maße persönlich und nach Zugehörigkeit zu Kultur kreisen individualisiert. Beispielsweise könnten manche Menschen von Rock`nRoll in dasselbe Glücksgefühlversetzt werden wie andere etwa durch Kompositionen Beethovens. Ungeklärt ist, warum sich bei den Menschen eine derartige biologische Basis für den Genuss von Musik entwickelt hat. Die Anregung beim Essen und beim Sex diene der Erhaltung der Art, aber Musik habe nicht unbedingt etwas mit Überleben zu tun, sagte Blood. „Da sie die für Glücksgefühl zuständigen Teile des Gehirns aktiviert, liegt der Schluss nahe, dass Musik unserem körperlichen und seelischen Wohlbefinden nützt.“ Von Paul Recer GA 16.März 2002

 

Bücher:

 

  • Kreatives Nichtstun. Hermann Ehmann 1998 mvg-Verlag.
  • Topfit durch Nichtstun. Gerd Schnack, Hermann Rauhe, Kösel-Verlag 2001
  • Innehalten. Peter Heintel, Herder-Spektrum-Verlag 2000
  • Wart mal schnell. Karl-Heinz A. Geißler, Hirzel-Verlag.2001